114 Die Deutschen. 3. Deutsche Fürsten- und Lnergeschichte. 134.135.
thtig. Dadurch aber machte er sich den Papst zum Feinde; und die Kurfrsten, schon vorher Wenzel feindlich gesinnt, wagten es nun, ihre selbstschtigen Zwecke mit dem Scheine der sittlichen Hoheit um-hllend, den König zu entsetzen als einen Entgliederer" des Reichs, der voller Laster sei.
3. Sie whlten 1400 zum Könige einen aus ihrer Mitte, einen Wittelsbacher, Ruprecht von der Pfalz. So standen nun, da Wenzel die Absetzung nicht gelten lie, zwei Kaiser gegeneinander, wie zwei Ppste. Jeder Kaiser blieb in seinem Gebiet und beide kmpften nicht einmal ernstlich miteinander um die Krone. Ruprecht versuchte spter sein Heil in Italien, aber konnte hier noch weniger Macht erlangen als in Deutschland. Als er 1410 starb, whlte ein Teil der Kurfrsten Jost von Mhren, ein anderer auf Betrieb des Burggrafen von Nrnberg, Friedrich Vi. von Hohen-zollern, den jngeren Bruder Wenzels, Siegmund, der durch seine Vermhlung mit der hinterlassenen Tochter des Knigs von Ungarn bereits Herrscher dieses Landes geworden war.
Da auch Wenzel die Krone wieder beanspruchte, so hatte man im Jahre 1411 drei Kais er, wie man zu derselben Zeit drei Ppste hatte. Ein Konzil in Pisa (1409) nmlich hatte beide Ppste abgesetzt und einen neuen gewhlt, und da die beiden andern nicht wichen, so hatte man nun drei Ppste. Die Verwirrung in Reich und Kirche war aufs uerste gestiegen.
1411-1437. 135. Kaiser Siegmund, 14111437, und das Konzil zu Constanz, 14141418. Hus. 1. Siegmund, thtig und klug, freilich auch wie sich spter zeigte, unstt und abenteuerlich, ging mit Eifer daran die Zustnde zu ordnen. Nachdem Jost von Mhren gestorben und Wenzel abgefunden war, machte ihn eine zweite Wahl zum unbe-strittenen König. Nun gelang es ihm den Papst, der noch das meiste Ansehen hatte, zur Berufung eines allgemeinen Konzils zur Besserung der Kirche an Haupt und Gliedern zu bewegen.
1414-1418. In Constanz, auf deutschem Boden, kamen der Papst und seine Kardinle, der Kaiser und die meisten geistlichen und weltlichen Fürsten des Reiches und auerdem Gesandte von sast allen christlichen Vlkern des Abendlandes zusammen. Einer der streitenden Ppste entsagte freiwillig, ein anderer wurde entsetzt. Die allgemeine Kirchen-Versammlung sprach in feierlicher Sitzung aus, da sie der dem Papste stehe und whlte 1417 einen neuen, Martin V., der allseitige Anerkennung fand.
2. Die Kirchenspaltung war damit beseitigt, aber die Besserung der
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Extrahierte Personennamen: Jost_von_Mhren Friedrich_Vi Friedrich Siegmund Siegmund Siegmund Jost_von_Mhren Martin_V.
Extrahierte Ortsnamen: Pfalz Italien Deutschland Nrnberg Wenzels Ungarn Constanz
Bauern un Brger. 427428. 285
wie Herden Raubtiere und zu dem Elende des Krieges kamen die unaus-bleiblichen Plagen des Hungers und der Pest. In der zweiten Halste des Krieges weigerte sich ein schwedischer General, sein Heer von Pommern nach Sddeutschland zu führen, weil bei dem Marsche durch die dazwischen liegende Ode sein Verlust grer sein wrde, als bei der blutigsten Niederlage, einzelnen Gegenden, wie in Schlesien, Mecklenburg, Pommern, den Marken, auch in Thringen, hatte der Krieg besonders grausam gehaust. Beim Friedens-Mu standen, so wird, allerdings wohl bertrieben, berichtet, m der Grafschaft Ruvpin (1800 qkm) noch vier Drfer; in der Priegnitz ( 196, 3200 qkm) war nur noch ein einziger Prediger brig; in der Grafschaft Henneverg ( 269) waren 75 Prozent der Familien, 66 Prozent der Wohnungen ^untergegangen.*) Noch heutzutage bezeichnen Namen von wsten Marken", em= Seine briggebliebene Gehfte, hie und da sogar noch Kirchentrmmer, die Sttten wo einst blhende Drfer standen. Von vielen war nach dem Kriege nur noch die Kirche und auch diese oft nur als Ruine vorhanden. Es war die fromme, ausdauernde Landgeistlichkeit, die allmhlich wieder eine Gemeinde sammelte, im Bunde mit der landesherrlichen Verwaltung, die die Gemeinden nicht untergehen lassen durfte und das geistliche Amt mit aller Macht einer nun ganz unbeschrnkten Autoritt untersttzte. Aber es dauerte lange, ehe die Verwilderung dem ernsten deutschen Flei und der altvererbten Sittsamkeit wieder wich, und zwei Jahrhunderte vergingen, bis der Kulturzustand der Drfer wieder die Hhe gewann, die er beim Ausbruch des groen Krieges hatte.
428. Aus der allgemeinen Verwstung ragten inselartig die Städte noch hervor, aber in welchem Zustande! Das deutsche Brgertum, einst trotzig und gewaltsam ( 291), dann in froher Behbigkeit, Ordnung und Freiheit, lebensfroh und kunstliebend ( 292 ff.), blhte auch im ganzen 16. Jahrhundert fort ( 424). Zahllose Luxusgesetze, vom Landesherrn oder Magistrat erlassen, muten vorschreiben, wieviel Gste zu Kindtaufen, Hochzeiten und Leichenschmusen gebeten, wie viel Schsseln gereicht, wie viel Ellen Tuch fr mnnliche und weibliche Kleidung verschnitten, rote viel Gold- und Silberstcke von Frauen und Jungfrauen getragen werden durften. Der groe Krieg hinterlie auch hier nur Elend. Den kleineren Stdten erging es meist nicht anders als den Drfern. Grere, befestigtere berdauerten wohl. Aber dann waren sie durch Umlagerung so oft ge-ngstigt worden, durch Kriegskontributionen und Brandschatzungen so er-schpft, durch Hunger und Pest so entvlkert, da viele Huser und Straen in Trmmern liegen blieben und da, da die stdtischen Steuern fast allein auf den Grundstcken lasteten, kaum ein Eigentmer Lust hatte, seine Wohn-statte wieder aufzubauen. Berlin hatte nach dem Kriege noch 6000 Einwohner, etwa den vierten Teil der frheren Zahl; 200 Huserstellen lagen wst, die Huser selbst waren mit Stroh und Schindeln bedeckt, die ungepflasierten Straen auf beiden Seiten mit Stllen und Scheunen verunziert; in Prenzlau waren von ehemals 787 Husern noch 107 bewohnt, und in den meisten andern Stdten nicht blo in Brandenburg, sondern in ganz Deutschland war es nicht besser bestellt. Nach geschlossenem Frieden war der alte Sinn mutiger Selbstndigkeit dahin, und auch hier muten die landesherr-liehen Beamten von oben her befehlen, was frher durch Selbstverwaltung
*) G. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Iii.: Aus dem Jahrhundert des groen Krieges. 6.
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Extrahierte Ortsnamen: Pommern Schlesien Mecklenburg Pommern Berlin Prenzlau Brandenburg Deutschland
396 Der Wiener Congre. 696697.
Baden und Wrttemberg ab, denen sie schon von Napoleon seit 1805 zugewiesen waren. Seine brigen Entschdigungen empfing es auer Deutschland, besonders in Italien. In diesem Lande erhielt es seitdem, theils durch die Verwandtschaft mit den meisten der wiederhergestellten Frstenhuser, theils durch unmittelbaren Landerwerb (Knigreich Mailand und Venedig) und durch seme berlegene Waffengewalt eine herrschende Stellung, die der 40 Jahre gedauert hat. Oestreich hatte also sein Staatsgebiet fest abgerundet und stand ehrfurchtgebietend unter den Mchten da. Sein erster Minister Metternich, war die folgenden Jahrzehnte hindurch der einflureichste Mann in Europa. Doch lag nur uugef% der dritte Theil von Oestrichs Lndern im deutfcheti Bunde: und so blieb seine Stellung, wie dieselbe sich schon seit drei Jahrhunderten gestaltet hatte, mehr eine europische als deutsche. Auerdem waren, wie zuvor ( 445), Völker der verschiedensten Nationalitt in diesem groen Kaiserstaate zusammengemischt. Es drohte ihm seitdem die Gefahr, da diese einst zum Streben nach Selbstndigkeit erwachen und versuchen wrden, sich dem herrschenden deutschen Einflsse zu entziehen.
697- Preußen ging, uerlich betrachtet, mit geringeren Vortheilen aus dem so groen Kriege, dessen Schwere es zumeist getragen und dessen Entscheidung es zumeist herbeigefhrt hatte; es hatte in den Tagen der Be-geisterung nicht genug daran gedacht, sich knftige Erwerbungen und Entfch-digungen im Voraus sichern zu lassen und bte nun diesen Fehler. Harden-berg war auerdem nicht die Persnlichkeit, vorsichtig und beharrlich auf Preuens wohlverdienten Rechten zu bestehen. Auch die brigen Staatsmnner zeigten sich weniger befhigt, als die Kriegsmnner es waren. So gingen Preuens alte Besitzungen Anspach und Baireuth an Baiern der, an Han-nover kam das, fr die Entwicklung einer preuischen Seemacht so wichtige Ostfrisland, nebst Hildesheim, Goslar ( 560) und beut altpreuischen Bingen ( 464). Das aus den polnischen Lnbern der zweiten und britten Theiluug gebildete Groherzogthum Warschau verlangte Rnlanb fr feine ^Dienste und Opfer. Damit ging fr ganz Deutschland eine wichtige Verthei-dignngslinie, die Weichsel, verloren, und der stets wachsende russische Staat drngte sich weit zwischen die Zweige des deutschen Volkslebens, die sich lngs der Ostfee nach Norden und die Oder aufwrts nach Sdosten hin schon seit Jahrhunderten entwickelt hatten. Welchen Gewinn, welchen Ersatz sollte nun Preußen haben? Es verlangte das ganze Knigreich Sachsen, dessen Er-Werbung schon Friedrich der Groe fr Preußen in's Auge gefat hatte. Aller-dings hatte der König von Sachsen bei der groen Erhebung zuerst eine sehr schwankende Rolle gespielt ( 649), dann bis nach der Leipziger Schlacht bei Napoleon ausgeharrt. Aber keineswegs erschien er schuldiger, als die anderen Rheinbundsfrsten, die den gnstigen Augenblick zum Abfall von dem Sieger nur etwas frher wahrgenommen und so von ihren Lndern nichts eingebt hatten. ^ Es lag also in der Behandlung desselben allerdings eine unverkenn-bare Hrte.^ Dennoch htte, noch als der Pariser Friede abgeschlossen ward ( 686), keine der Gromchte gegen die Einverleibung Sachsens in Preußen ernstliche Einwendungen gemacht, wenn Hardenberg zeitig und bestimmt seine Forderung erhoben htte. Da dies versumt war, begann allmhlich Seitens des schsischen Knigs, der Mittelstaaten und bald auch Oestrichs ein Widerstreben. dagegen, das bei Euglanb und sogar bei Frankreich (dessen geschickter Vertreter, Talleyranb, Mb wieber eine Rolle zu spielen ansing), eine Unter- . sttzung fanb. Denn Preuens König hatte zugestimmt, ba Polen an Ru-land kme, was alle andern Mchte gern vermieden gesehen htten; so war die
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Oestreich Metternich Oestrichs Friedrich_der_Groe Friedrich Napoleon Hardenberg
Extrahierte Ortsnamen: Wrttemberg Deutschland Italien Mailand Venedig Europa Hildesheim Goslar Warschau Deutschland Sachsen Sachsen Sachsens Frankreich
132 Heinrich Vii. von Lützelnburg. 1308—1313. § 214—216.
Seite der tapfere Graf von Lützelnburg gefallen. Sein Sohn Heinrich war
diesem in der Grafschaft gefolgt, die ein kleines Gebiet am rauhen Ardenner-
walde bildete, ein Mann, so vorzüglich an Geist, wie ausgezeichnet in jeder
ritterlichen Uebung, der den Landfrieden in seinen Grenzen so trefflich schützte, daß
diese wildeste Gegend des Reiches für den Kaufmann damals die sicherste war.
Sein Bruder Balduin hatte durch seinen klugen Arzt, Peter Aichspalter,
beim Pabste um das erledigte Bisthum Mainz geworben; Peter aber, der den
Pabst von einer schweren Krankheit rettete, gewann dasselbe für sich selbst, ver-
schaffte aber Balduin bald darauf Trier. Nun kam die Erledigung des Kaiser-
thrones, und da die weltlichen Wähler einstweilen nur einverstanden waren, wen
sie nicht wählen wollten — z. B. nicht den den unruhigen Eberhard von Wirten-
berg — so durften Balduin unv Peter um so mehr hoffen, im Einverständniß
die Wahl zu lenken. Ein anderer Umstand noch mahnte zur Beschleunigung.
Philipp der. Schöne, König von Frankreich, hatte, wie oben gezeigt, Bonifa-
zius Viii. und in ihm das Pabstthum von der alten Höhe herabgestürzt. Pabst
Clemens V., Bonifazius' zweiter Nachfolger, ein Franzose von Geburt, durch
Philipp zu seiner Würde erhöht, ging nie nach Rom, sondern verlegte seit 1308
den päpstlichen Sitz nach Avignon, woselbst er siebenzig Jahre verblieben ist.
Bon der Zeit an stand das Pabstthum im Dienste Frankreichs. Nun warb Phi-
lipp für seinen Bruder, Carl von Valois, um die deutsche Kaiserkrone, „damit
wie er sagte, das Kaiserthum von den Deutschen, auf die es der Pabst über-
tragen habe, wieder an die ursprünglichen Inhaber, die Franken, und auf die
Nachfolger Karls des Großen zurückfiele. Der Pabst mußte sich seinem tyran-
nischen Herrscher fügen, und diese Wahl empfehlen. Heimlich aber, da er selbst
das französische Königshaus — dessen einer Zweig in Neapel herrschte und
von da aus auch die Ungar'sche Krone erworben hatte — nicht zu mächtig sehen
wollte, trieb er die geistlichen Kurfürsten zu einer anderen Wahl. Nun brachte
Peter Aichspalter Balduins Bruder, jenen Lützelnburger Grafen Heinrich, in Vor-
schlag und erwarb ihm auch die Stimmen der anderen Wähler. Am Königs-
stuhl zu Reuse, von wo ein geblasenes Jagdhorn in vier Kurfürsten Ländern
gehört werden konnte*), im Schatten der Nußbäume des Rheinthals, geschah
die Wahl.
§ 215. Das blutige Ende Adolfs von Nassau, noch mehr das Albrechts
von Oestreich, wobei Königsmord niit Vatermord sich gepaart, hatten im Reiche
einen erschütternden Eindruck hinterlaffen. Es war Zeit, in sich zu gehen, und
nicht mehr bloß nach Grundsätzen niedriger Habsucht zu verfahren. Und so
faßte Heinrich Vii. 1308—1313 seine Aufgabe: ein Kaiser zu sein im alten
Sinne des Wortes, hoch stehend über den Parteien, Frieden und Gerechtigkeit
verwaltend, kraft seines geheiligten Ansehens als oberster Schiedsrichter der Chri-
stenheit. Um so mehr konnte auch er mit vollen Händen seinen Wählern schen-
ken: er glaubte, in seinem geheiligten Ansehen und seinem edlen Willen allein
die Bürgschaft zu haben, sein Amt erfüllen zu können; und in der That hat
er noch einmal das Kaiserthum im vollsten Adel seines großen Berufes dar-
gestellt.
§ 216. Und gerade ihm, der am wenigsten nach Hausmacht strebte, brachte
ein günstiges Geschick sie im vollsten Maße. Noch immer waren, seit Wenzels Iii.
Tode (tz 212.) in Böhmen Kämpfe um die Thronfolge. Nur eine ganz kleine
Partei war für Oestreich; die Macht besaß Heinrich von Kärnthen, der
Wenzels älteste Schwester Anna zur Ehe hatte. Aber auch er war gehaßt, und
*) Hier, oberhalb Coblenz, stießen Cöln, Trier, Mainz und die Pfalz nahe zusammen.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Vii Heinrich Heinrich Heinrich Balduin Peter_Aichspalter Peter Balduin Eberhard_von_Wirten- Peter Philipp Clemens_V. Philipp Philipp Carl_von_Valois Karls Peter_Aichspalter_Balduins Heinrich Heinrich Adolfs Albrechts Oestreich Heinrich_Vii Heinrich Heinrich_von_Kärnthen Heinrich Anna
Extrahierte Ortsnamen: Lützelnburg Lützelnburg Mainz Frankreich Rom Avignon Frankreichs Karls Neapel Rheinthals Nassau Wenzels Wenzels Coblenz Trier Mainz
38
Der fränkische Lehnsstaat. Die Kirche. § 54.
theil für sich genommen, und große Domänen (Krongüter) daraus gemacht.
Aehnlich halten die Söhne Chlodwigs später in Burgund, Thüringen und Baiern
verfahren. So war das eroberte Land größtentheils Königsbeute und Königs-
eigenthum geworden. Freilich hatte der König die Einzelnen seines Volkes, die
ihm als Krieger zur Eroberung gefolgt waren, ebenfalls mit Landeigenthum be-
denken müssen. Von dem besetzten Gebiet hatte jeder sein Loostheil als freies
Eigenthum bekommen, sein Alöd, wie man es nannte. Aber dazu gab der
König aus der Menge seines Eigenthums, seines Besitzes, den er selbst nicht
allein verwalten konnte, seinen Getreuen und Höchstgestellten noch Land, das ihm
eigen blieb, jenen aber zur Nutznießung gelehnt war. Das nannte man ein
Lehen (feudum, beneficium). Das Lehen gehörte also dem Landesherrn, der
Belehnte (Vasall, Lehnsmann geheißen,) besaß es nur aus dessen Güte, gewöhn-
lich jedoch, wenn er es nicht durch Treulosigkeit (Felonie) verwirkte, auf Lebens-
zeit. Er zahlte keine Abgabe davon, da Geld überhaupt selten war; er war
nur zur Heeresfolge in jedem Streite verpflichtet, auch wenn dieser keine Volks-
sache betraf (wo die ganze Volksgemeinde noch befragt werden mußte), sondern
ein rein persönlicher seines Lehnsherrn war; und er mußte an dem Hofe von
Zeit zu Zeit erscheinen, d. h. Hofdienst leisten. So bildete sich im Franken-
reiche zuerst das Lehnswesen (Feudalsystem) aus, die Grundlage, auf der
alle Staaten*) im Mittelalter beruhten. — Das erobernde Frankenvolk war
einst nur ein Heer unter seinem Heerkönig gewesen, dem zunächst seine Grafen
untergeordnet waren (§ 16.). Als alle seßhaft geworden waren, wurden diese,
bisher gleichsam Offiziere, zu Beamten des Königs, es gab Gau grafen,
Hundertgrafen, Dincgrafen, welche die Rechte des Königs in größeren
und kleineren Bezirken wahrnahmen. lieber den Grafen standen noch die Her-
zöge, an der Spitze ganzer Stämme und Provinzen, als Kriegsoberste. Dies
waren also alles Beamte, die jetzt vom Könige ernannt wurden; einst wählte
sie, wie wir sahen (§ 15.) die Volksgemeinde. — Die Franken hatten sich zum
katholischen Christenthum gewandt, mithin war die bisherige Geistlichkeit ge-
blieben. Diese waren, da Deutsche den Heerdienst vorzogen, fast ausnahmslos
Welsche, d. i. römisch redende, der alten Bevölkerung angehörende Leute. Auch
sie wurden nicht mit Geld, sondern mit Land besoldet; theils durch Schenkung,
theils durch Belehnung bekamen die Kirchen Landbesitz. Den höheren Geist-
lichen, Bischöfen und Erzbischöfen, gab der König um ihre Cathedrale, d. i.
ihre bischöfliche Hauptkirche, ein Lehen, -daß sie den Ersten im Reiche gleich-
stellte. So traten dann auch Welsche (Romanen) in den Rath des Königs
und in die Reihen des hohen fränkischen Adels und mischten sich mit ihm.
Bald ward die Kirche reich, und konnte ihrerseits kleine Lehen austheilen, ebenso
wie die großen Adlichen dies konnten. Es entstanden so niedere Lehnsleute,
die nicht für große Ländereien bei dem König, sondern für kleine bei der Kirche
oder den Edlen zu Lehen gingen — der spätere niedere Adel neben dem
höheren. — Die altgermanische Gemeinfreiheit, die sich auf echtes Eigenthum
gründete, war in den eroberten Ländern, in Allemannien und Thüringen, schon
sehr zusammengeschwunden, da die Besiegten das Eigenthum verloren hatten,
und an dessen Stelle die großen Lehen des Königs getreten waren. Aber schon
hielten auch unter den Franken selbst manche es für vortheilhaft, ihr Eigen-
thum, ihr Alod, dem Könige, großen Edlen oder der Kirche zu übergeben, und
es als Lehen, und zwar dann vergrößert, zurückzuempfangen. So blieb von
*) Auch bei anderen Völkern, bei den Gothen, Langobarden rc. kommen ähnliche Ver-
hältnisse, aber doch nicht so entwickelt, vor.
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Anhang.
219
Gewerbeordnung (1869) vor allem das Reichshaftpflichtgesetz (1871) und die Änderungen an der Gewerbeordnung (1878); aber jetzt wurden diese Arbeiten, für die die Kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881 das Programm enthielt, mit besonderem Nachdruck aufgenommen, sie wurden geradezu für Zahre die Hauptaufgaben, die sich das Reich stellte. Die Früchte dieser Arbeiten zeigen sich vor allem in der reichsgesetzlichen Regelung der Arbeiterversicherung. Die Krankenversicherung begann mit dem Gesetze von 1883, die Unfallversicherung mit dem Gesetze von 1884, die Invalidenversicherung mit dem Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetze von 1889. Nach mehrfachen Erweiterungen dieser Stammgesetze wurden die verschiedenen Zweige der Arbeiterversicherung in die Reichsversicherungsordnung vom 19. Zuli 1911 zusammengefaßt, die durch das Einführungsgesetz vom gleichen Tage an die Stelle der alten Gesetze trat. Dieses nächst dem Bürgerlichen Gesetzbuch umfangreichste Gesetzgebungswerk des Deutschen Reichs mit seinen 6 Büchern hat neben umfassenden Reformen auch die Hinterbliebenenversicherung eingeführt. Ein Sondergesetz vom 20. Dezember 1911 brachte dann noch die Angestelltenversicherung und damit die Gesetzgebung auf diesem Gebiete vorläufig zum Abschluß.
a. Krankenversicherung: Die Kosten dieser Versicherung werden zu % von den Versicherten und zu 1/3 von den Arbeitgebern getragen. Die Krankenkassen gewähren dem Erkrankten als Regelleistung bis zu 26 Wochen und darüber Krankenpflege (freie ärztliche Behandlung und Arznei, auch Brillen, Bruchbänder u. dgl.) und, wenn ihn die Krankheit arbeitsunfähig macht, vom vierten Krankheitstag an Krankengeld in Höhe des halben Grundlohns. Im Todesfälle wird Sterbegeld gezahlt. Wöchnerinnen erhalten Wochengeld für 8 Wochen. An Stelle der Krankenpflege und des Krankengeldes kann auch Krankenhauspflege nebst Hausgeld gewährt werden.
b. Unfallversicherung: Diese wird von Berufsgenossenschaften und Ausführungsbehörden als Versicherungsträgern durchgeführt. Zhre Kosten tragen die Unternehmer allein. Der durch einen Betriebsunfall Verletzte erhält spätestens von der 14. Woche nach dem Unfall ab Krankenbehandlung, h. i. freie ärztliche Behandlung, Heil-und Hilfsmittel (Krücken, Stützvorrichtungen u. dgl.) sowie für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit eine Rente. Bei völliger Erwerbsunfähigkeit werden 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes als Vollrente, bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit wird ein entsprechender Teil der Vollrente gewährt. Wird der Versicherte durch Betriebsunfall getötet, so wird Sterbegeld und für die Hinterbliebenen eine Rente gegeben. An Stelle der Krankenbehandlung und Verletztenrente kann Heilanstaltpflege nebst Angehörigenrente gewährt werden. Zur Verhütung von Unfällen find für die Betriebe und die in ihnen beschäftigten Arbeiter weitgreifende Unfallverhütungsvorschriften erlassen.
e. Invaliden- und Hinterbliebenen Versicherung: Ihre
Träger sind Versicherungsanstalten und Sonderanstalten. Die Mittel werden von den Arbeitgebern und Versicherten je zur Hälfte durch Wochenbeiträge nach 5 Lohnklassen aufgebracht; außerdem gibt
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12 Götterglaube, Sitten und Gemeindeleben der Germanen. § 5.
sammlung diente zur Heerschau und zur Beratung über die wichtigsten Angelegenheiten der ganzen Völkerschaft: es wurde über Krieg und Frieden entschieden, Fürsten wurden gewählt und wichtige Rechtsentscheidungen getroffen. Zog die ganze Völkerschaft in den Krieg, so ward aus den Fürsten ein Herzog gewählt, dessen Befehl endete, sobald der Kriegszug vorbei war. Einzelne Stämme oder auch nur Teile von ihnen standen schon unter Königen, die anfangs nur die Amtsgewalt des Fürsten oder Herzogs kraft einer Art Erbrechts ihres Geschlechts übten, allmählich aber mächtiger wurden. An Könige und Fürsten schloß sich gern ein Gefolge von Recken an, ihnen durch Treue verbunden in Freud und Leid, in Not und Tod. Neben den Unfreien, deren Knechtschaft besonders Durch Kriegsgefangenschaft begründet war, finden wir bei den Westgermanen noch Siten oder Laten, Hörige, die als Freigelassene oder Nachkommen von im Kriege unterworfenen Stämmen des vollen Rechtsschutzes teilhaftig waren, aber an Heer und Ding keinen Anteil hatten, an die Scholle gebunden und zu gewissen Leistungen als Entgelt für den Grund und Boden, der ihnen geliehen ward, verpflichtet waren. Wehrpflichtig waren alle Freien; sie kämpften nach Familien und Sippen geordnet, meist zu Fuß; die Schlachtordnung war keilförmig. Die Hauptwaffe war die Frame, eine Lanze mit dünnem Schaft und kurzer Spitze, zu Wurf und Stoß gleich geeignet; dazu kamen vor allem Keule, Steinhammer und Steinaxt; wenig im Gebrauch war das Schwert. Als Schutzwaffe führten die Germanen in der Regel nur den hölzernen Schild.
3. In allen Stücken zeigen sich die alten Deutschen nicht mehr als rohe Wilde. Zhre Göttervorstellungen waren einfach und würdig, ihre Sprache reich und klangvoll, ihr Sraat durch Recht, Gesetz und Freiheit natürlich geordnet; sie kannten den Pflug, der den Boden, und den Kiel, der die Wellen durchschneidet; sie schmiedeten das Eisen, webten Gewänder; ihre Könige bauten weite Burgen, ihre Edlen besaßen stattliche Gehöfte, die freien Bauern gemächliche Blockhäuser; Städte hatten sie freilich noch nicht: ein jeder zog vor, von anderen ungestört im weitgestreckten Dorfe zu wohnen. Privateigentum an Grund und Boden gab es anfänglich nicht, sondern es bestand Feldgemeinschaft, und das der Gesamtheit gehörige Land wurde den einzelnen von der Gemeinde nur zur Nutzung überlassen. Erst ganz allmählich vollzog sich der Übergang vom Gesamtbesitz zum Privateigentum. Indes blieb Wald- und Weideland als gemeine Mark oder Allmende im gemeinsamen Besitz aller Dorfgenofsen. Der Ackerbau, der hinter der Viehzucht anfangs noch sehr zurücktrat, wurde in sehr ursprünglicher Form betrieben. Die Freien, die nur den Kampf und die Jagd für ihrer würdige Beschäftigungen hielten, überließen ihn den Frauen und den Sklaven. Stets wurde nur ein Teil der Ackerflur unter den Pflug genommen, während man auf dem übrigen Land das Gras wachsen ließ und es nur als Viehweide benutzte (Feldgraswirtschaft).
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220
Anhang.
das Reich jährliche Zuschüsse. Der Versicherte erhält, wenn ei-dauernd invalide wird, Invalidenrente, oder, wenn er das 70. Lebensjahr vollendet hat, Altersrente. (Beispiel: Ein Versicherter der 5. Lohnklasse, für die mehr als 1150 M. Jahresverdienst vorausgesetzt wird, zahlt an jährlichem Beitrag 12,48 M., erhält eine Altersrente von jährlich 230 M. und hätte, wenn er nach 40jähriger Versicherung invalide würde, ohne Kinderzuschuß 399,60 M. jährlich an Invalidenrente zu fordern.) Der Versicherte erhält auch Rente im Falle einer Erkrankung von der 27. Woche ab. Beim Tode eines Versicherten werden unter bestimmten Voraussetzungen Witwen- oder Witwerrente, Waisenrenten, Witwengeld und Waisenaussteuer gezahlt. Zur Verhütung drohender und Beseitigung eingetretener Invalidität können die Versicherungsträger ein umfassendes und nachhaltiges Heilverfahren einleiten. Sie führen einen erfolgreichen Kampf gegen die Volksseuchen, namentlich die Tuberkulose. d. Angestelltenversicherung: Träger ist die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. Die Mittel werden von den Arbeitgebern und Versicherten zu gleichen Teilen durch Monatsbeiträge nach Gehaltsklassen aufgebracht. Gegenstand der Versicherung sind Ruhe-geld vom 66. Lebensjahr ab oder für dauernd Berufsunfähige vom Beginne der Berufsunfähigkeit ab oder für vorübergehend Berufsunfähige von der 27. Woche ab; Hinterbliebenenrenten, und zwar Witwen-, Witwer- und Waisenrenten; Heilverfahren zur Verhütung oder Beseitigung der Berufsunfähigkeit; Beitragserstattung bei Tod ober Ausscheiden weiblicher Versicherter, gegebenenfalls Leibrente an letztere.
Für den Arbeiterschutz trat mit den Kaiserlichen Erlassen vom 4. Februar 1890 eine Zeit neuer Entwicklung ein. Durch die Gewerbeordnungsnovelle von 1891, das sogenannte Arbeiterschutzgesetz, wurden u. a. die Sonntagsruhe, Arbeitsbedingungen und Lohnzahlung besonders geregelt, der Überlastung der Arbeiterinnen, jugendlichen Arbeiter und Kinder nach Möglichkeit vorgebeugt und eine gesundheitlich einwandfreie Einrichtung der Betriebsräume sichergestellt. Es folgten ein erhöhter Handlungsgehilfenschutz in der Gewerbeordnungsnovelle von 1900, das Kinderschutzgesetz von 1903, das Hausarbeiterschutzgesetz von 1911 und die Erweiterung des allgemeinen Arbeiterschutzes in den Gewerbeordnungsnovellen von 1908 und 1911.
5. Ergebnis. Schlimme Zustände im gesellschaftlichen Leben, die sich allmählich entwickelt haben, können durch noch so heilsame Gesetze nicht mit einem Schlage beseitigt werden; dazu bedarf es der Zeit und fortgesetzter Arbeit. Der Weg aber, den Kaiser Wilhelm I. beschritten und Kaiser Wilhelm Ii. weiter verfolgt hat, verspricht, wenn auch keine endgültige Lösung der sozialen Frage — sie ist bei der Natur der Menschen mit ihren Schwächen und Fehlern überhaupt unmöglich —, so doch eine große Milderung und teilweise Beseitigung der Härten, die die jetzige Gesellschaftsordnung mit sich gebracht hat, und damit die Möglichkeit zu einer friedlichen Weiterentwicklung, vorausgesetzt, daß jeder einzelne auch an feinem Teile an der Heilung der sozialen Mißstände durch die rechte Betätigung christlich er Nächstenliebe mitarbeitet.
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Anhang.
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mehr als 7 Stimmen sprechen schuldig — die Richter bestimmen das Strafmaß.
c. Die Amtsgerichte. Sie sind mit dem Amtsrichter als Einzelrichter erste Stelle für minder wichtige bürgerliche Streitigkeiten.
Am Amtsgericht treten zur Aburteilung leichterer Strafsachen die Schöffengerichte zusammen. Sie bestehen aus dem Amtsrichter als Vorsitzendem und 2 nichtrechtsgelehrten Schöffen.
3. Sondergerichte:
a. Gewerbegerichte,
b. Kaufmannsgerichte,
c. Militärgerichte,
d. Konsulargerichte.
c. Die Kreise zerfallen in
a) Landkreise, die unter einem Landratstehen,
ß) Stadtkreise, d. H. solche Städte, die mindestens 25 000 Einwohner haben.
e. Die Selbstverwaltungsbehörden der Kreise sind: a) in den Landkreisen: für den Kreis: Landrat, Kreisausschuß, Kreistag; für die Gemeinden: die Gemeindebehörden, ß) in den Stadtkreisen: Bürgermeister, Stadtausschuß, Stadtverwaltung (die Stadtverwaltung liegt in den I Händen des Magistrats und der j Stadtverordne-I ten).
Iv. Heer m,ü Flotte des Deutschen Reiches.
A. Zeder Deutsche ist vom vollendeten 17. bis zum voll-endeten 45. Jahre wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen.
Es gibt eine doppelte Wehrpflicht: 1. Dienstpflicht, 2. Landsturmpflicht.
1. Die Dienstpflicht beginnt mit dem Kalenderjahre, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird. Sie wird erfüllt:
s. im stehenden Heere: *) aktive Dienstzeit dauert 2 oder (bei der
dauert 7 ^zahre. Kavallerie, der Reitenden Artillerie
und der Flotte) 3 Jahre. — Die Einjährig-Freiwilligen, ß) Reservepflicht dauert 5 oder 4 Jahre, b. in der Land- oder a) 1. Aufgebot. Die Pflicht dauert 5 oder Seewehr: 3 Jahre,
dauert bis 31./3. des Jahres, in dem das 39. Lebensjahr ß) 2. Aufgebot.
vollendet wird. Georg-Eckert-Instituf
15* für internationale Schulbuchforechunp Braunschweip -Sch*uibuchoibliot.'i«k -
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